Von Stufe zu Stufe

Von Stufe zu Stufe

Fischen das Wandern erleichtern

Die Ems ist eine Bundeswasserstraße für Schiffe –  doch der Fluss dient Fischen und anderen Wasserlebewesen auch als „Wanderweg“. Und das nicht nur zum Vergnügen: Viele Arten sind aufgrund ihrer Lebenszyklen zwingend darauf angewiesen, ungehindert stromauf- und -abwärts zu schwimmen.  In der Frage dieser „ökologischen Durchgängigkeit“ gibt es in der Ems wie in vielen anderen Flüssen noch Luft nach oben. Der Grund: Wehre, die den Wasserstand außerhalb der Tidebereiche regulieren, machen den Tieren   die Reise schwer. Im Vertrag zum Masterplan Ems 2050 wurde vereinbart, diese Situation zunächst am Tidewehr Herbrum zu verbessern. Diesen Auftrag setzt die Wasserstraßenverwaltung des Bundes (WSV) nun um. „Für die Realisierung des anspruchsvollen Konzepts hat sich die WSV einen kompetenten und erfahrenen Partner an ihre Seite geholt. Den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN)“, berichtet Markus Linke vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ems-Nordsee in Meppen.

Der Start am Übergang zwischen Tideems und dem Süßwasserbereich in Herbrum hat seinen Grund: Das dortige Wehr ist die erste Barriere, auf die wandernde Wassertiere stoßen, wenn sie von der Tideems in den mittleren Lauf des Flusses gelangen wollen - etwa um dort zu laichen, oder wie der Aal von ihren Laich- und Schlupfgebieten im Meer in die Flüsse aufsteigen, wo sie ihre Zeit als erwachsene Fische verbringen, bevor sie wieder in die Laichgebiete abwandern. An diesem Beispiel zeigt sich, wie wichtig der „Wanderweg“ Fluss dafür ist, dass Fische ihren Lebenszyklus vollenden können.

Zum Projektstartgespräch Anfang 2021 tauschten sich Experten des NLWKN, der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW), des Dezernates Binnenfischerei beim Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) und der WSV erstmals intensiv über die am Standort vorherrschenden Besonderheiten aus. Besonders anspruchsvoll wird die Aufgabe durch den bis Herbrum reichenden Tideeinfluss. Extreme Schwankungen der Wasserspiegellagen sorgen dafür, dass die Wehranlage zeitweise sogar flussaufwärts überströmt wird, anderseits aber unterhalb des Wehrs extrem niedrige Wasserstände vorherrschen. Und dies alles im relativ kurzem Wechsel. Auch die Schlicksituation macht Verbesserungen notwendig. Deswegen gilt es, bei der Planung der neuen Fischaufstiegsanlage eine Vielzahl von Randbedingungen zu berücksichtigen. Hierzu gehört u.a. auch der Klimawandel und die hierdurch zu erwartenden hydrologischen Änderungen – also steigende Wasserspiegel des Tidebereiches und sommerliche Dürre und zeitweise Extremniederschläge im Binnenland, die sich stark auf die Abflussmengen des Oberwassers auswirken.

Damit die Planung fundiert erfolgen kann, wurde direkt zu Beginn des Projektes die Datenlage analysiert. In der Folge wurde der Aufbau eines Pegelnetzes beschlossen, um erkannte Datenlücken schließen zu können. Eine Überprüfung der Eigenschaften des Baugrunds und weiterer Randbedingungen werden in Kürze folgen.

Die Verbesserungen setzen natürlich nicht bei Null an. In Herbrum wie im weiteren niedersächsischen Emsverlauf an acht weiteren Wehren, die optimierte Anlagen erhalten sollen, hat die WSV schon bei deren Bau an die wandernden Lebewesen gedacht. Es wurden so genannte Fischpässe eingerichtet, die die den Tieren die Überwindung der Bauwerke und damit ihre natürlichen Wanderungen ermöglichen. In Herbrum befindet sich der heutige Fischpass am rechten Ufer. Er besteht aus 20 circa zwei Meter breiten Becken, die wiederum unterschiedliche Längen aufweisen.

Inzwischen ist bekannt, dass die damals hergestellten Anlagen nicht allen in der Ems vorkommenden Fischarten gerecht werden. So sind sie beispielsweise für Lachse und Brassen zu klein. „Willen und Aufgabe der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV) ist es, die derzeitige Situation für die Wasserlebewesen zu verbessern“, so Markus Linke. Die neuen Fischpässe sollen für die potenziell natürliche Fischfauna (also auch Fische wie der Stint, dessen Rückkehr bei besserer Wasserqualität erhofft wird) an mindestens 300 Tagen im Jahr uneingeschränkt auffindbar und überwindbar sein. Wie genau solche Fischpässe aussehen müssen und wie sie an den einzelnen Standorten realisiert werden, wird in den umfangreichen Untersuchungen ermittelt, die von den Projektpartnern gestartet wurden.

Deren Ergebnisse werden als Grundlage dafür dienen, dass schließlich möglichst alle wanderwilligen Fische und auch wirbellose Tiere wie beispielsweise Krebstiere, die neue Anlage finden und einfach passieren können, in Herbrum trotz des Spiels der Gezeiten. Das nämlich verändert durch den großen Tidenhub sozusagen den „Einstieg“ in den Fischpass. Für die besonderen Herausforderungen des Standorts wird nun die beste Variante ermittelt. Wenn die feststeht, erfolgen die weitere Planung, die Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel und schließlich die erforderlichen Genehmigungen zum Bau des neuen Fischpasses.