Neues Leben am Fluss

Neues Leben am Fluss

Stand der Dinge

Ein Lebensraum an der Ems entsteht neu in Coldemüntje – und das aus Menschenhand. Bald wird nach über zwei Jahren Bauzeit alles bereits sein, damit hier, hinter dem Emsdeich in Westoverledingen, auf rund 35 Hektar Ebbe und Flut Biotope schaffen können, wie es sie an der Ems im Gegensatz zu früheren Zeiten kaum noch gibt. Inzwischen ist deutlich zu erkennen, wie die Pläne der Planerinnen und Planer im Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in die Realität umgesetzt wurden. Ende 2024/Anfang 2025 wird der Polder Coldemüntje fertig sein und in den Testbetrieb gehen.

So ist inzwischen der Verlauf der Priele deutlich zu sehen; die Arbeiten zur Modellierung der künftigen Polderlandschaft in Coldemüntje sind so gut wie abgeschlossen. Auch das Sedimentationsbecken, in dem sich künftig Schlick absetzen soll, ist schon vollständig ausgehoben. Beim Einlassbauwerk, das weit unter der Grasnarbe durch den Deich führt, kann man jetzt noch durch die unterirdischen Kanäle schauen, durch die bald das Emswasser in den Polder ein- und ausfließen wird – wenn man sich auf einer Stahltreppe in den Schacht begibt, in den sie weit unter der Erdoberfläche einmünden. Nicht mehr lange, und der Deich wird wieder über dem Stahlbetonbauwerk geschlossen. Spundwände und Armierungen für weitere Betonsohlen zeigen deutlich, wie hier Technik genutzt wird, um der Natur neue Räume zu schaffen, die ihr einst durch menschliche Aktivitäten abgenommen wurden. Denn: Wo jetzt der Polder ist, verlief einst die Ems in einer langgezogenen Kurve; diese alte Flussschleife wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zugeschüttet und durch eine Gerade ersetzt, um Schiffen die Kurvenfahrt zu ersparen.

Wer auf dem Emsdeich steht und den Fluss mit dem Polder vergleicht, sieht auf den ersten Blick, was der Ems heute fehlt und was der Polder der Natur wiedergibt: Die Ems fließt schnell und tief, die Ufer sind mit Steinschüttungen befestigt, das Vorland zwischen Deich und Fluss ist schmal und wenig belebt. Auf der anderen Seite sieht das Auge Flachwasserzonen, Flächen, die künftig dem Wechsel von Ebbe und Flut unterworfen sind, Röhrichte und erste Weidentriebe; Vorboten des zu erwartenden Tideauwalds. Es gibt viele Pflanzen und Tiere, die auf diese ganz eigene Lebenswelt zwischen Wasser und Land angewiesen sind, und damit sie an der Ems nicht weiter verschwinden und die Artenvielfalt weiter sinkt, schafft der Masterplan Ems bis 2050 auf 500 Hektar solche Biotope.

Neben dem Prielsystem, das durch die Speisung aus der Ems mit leicht salzhaltigem Wasser befüllt wird, befindet sich in der südwestlichen Ecke des Gebiets ein Süßwasserteich. Hier finden Amphibien wie Frösche und Molche eine Heimat, die salziges Wasser nicht vertragen. Am Süßwasserteich zeigt sich exemplarisch, wie die Natur das Gebiet zurückerobert: Schon nach einem Jahr ließ sich dort eine äußerst vielfältige Pflanzenwelt beobachten. Und auch die Vogelwelt ist offenbar vom gesamten Tidepolder angetan; Säbelschnäbler, Löffler, Rohrweihen und Gastvögel wie Enten und Gänse ließen sich von Baggern und Lastwagen nicht abhalten, das Gebiet zu besiedeln.

Künftig wird es zudem möglich sein, das Gebiet von drei Aussichtspunkten, die durch einen Ringweg auf dem Damm des Polders verbunden sind, in seiner Entwicklung zu beobachten. Dafür wurde ein Teil des Aushubs verwendet. Ein weiterer Teil wird derzeit zur Erhöhung der Au0enberme des Emsdeichs verwendet, zudem wurden umliegende landwirtschaftliche Flächen mit Boden aus dem Polder aufgewertet. Durch diese Verwendung wurden Transporte durch die Deichdörfer vermieden und so ein Konsens mit der Gemeinde und den Anliegern erreicht. Die Bodenverwertung wurde übrigens durch die nasse Witterung des Vorjahres verzögert, inzwischen läuft sie aber nahezu reibungslos.

Der Polder Coldemüntje ist der erste seiner Art. Die Besonderheit ist die Technik, mit der im Polder ein Tidenhub von nur einem Meter erreicht wird, während in der Ems der Unterschied zwischen Hoch- und Niedrigwasser bis zu fünf Metern ausmacht. Das Bauwerk durch den Deich ist so konstruiert, das nur Wasser von der Oberfläche der Ems in den Polder strömt – das ist am wenigsten mit Sediment belastet. Es fließt zunächst in das Sedimentationsbecken, wo es sich beruhigt und der trotzdem noch vorhandene gelöste Schlick zu Boden sinkt. Dann muss es noch eine Überlaufschwelle passieren, wodurch wieder nur das oberste, klarere Wasser in den Polder fließt. Wenn es zurück in die Ems geleitet wird – der Polder-Ebbstrom – öffnet sich eine Klappe, das Wasser fließt schneller Richtung Fluss als in den Polder und nimmt das Sediment aus dem Becken wieder mit. Das System wird nach Fertigstellung in den Testbetrieb gehen. Die Situation wird sich zudem noch einmal deutlich entschärfen, wenn die Tidesteuerung in Betrieb geht und die Sedimentbelastung deutlich verringert. Damit wird für 2027 gerechnet.

 

 

Ein Schwerpunkt der ökologischen Maßnahmen im Masterplan Ems 2050 ist, verlorengegangene Lebensräume am Fluss wiederherzustellen. Die Besonderheit dieser Biotope ist, dass sie von Ebbe und Flut beeinflusst werden, also zeitweise trockenfallen und dann wieder überflutet werden. Im besten Fall entwickeln sich Flachwasserzonen, Brack- und Süßwasserröhrichte, Sand- und Schlickwatten sowie Tideauwald.

Ein solches Biotop entsteht im Bereich des ehemaligen Emsbogens bei Coldemüntje in der Gemeinde Westoverledingen verwirklicht werden. Bei dem Gebiet, das hinter dem Emsdeich liegt, handelt es sich um die Überreste einer ehemaligen Emsschleife, die bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgeschnitten wurde. Der damals entstandene Grotegaster Altarm verlandete, wurde mit Baggergut aus der Fahrwasserunterhaltung aufgefüllt und zu einem späteren Zeitpunkt durch den Bau der neuen Hauptdeichlinie vollständig von der Ems getrennt. Danach fanden sich dort ein verlandender See und wenig artenreiche Biotope. 

 

 

 

Impressionen vom August 2024

Was bisher geschah

Seit Mai 2022 laufen die Erdarbeiten für den ersten Tidepolder des Masterplans Ems in Coldemüntje (Gemeinde Westoverledingen/Landkreis Leer). Fertig werden soll der tidebeeinflusste Lebensraum Ende 2024/Anfang 2025. „Der Polder steht exemplarisch für das, was die Vertragspartner im Masterplan Ems 2050 als eines von mehreren Zielen vereinbart haben: Die Wiederherstellung von Lebensräumen, wie sie einst die Flussauen der Ems prägten“, sagte Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies beim symbolischen ersten Spatenstich Ende Mai 2022.  Insgesamt sollen bis 2050 auf 500 Hektar solche tidenbeeinflussten Lebensräume entstehen. U.a. mit dieser Selbstverpflichtung wurde 2015 ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen Verletzung von Umweltrichtlinien an der Ems verhindert. Mit Tidepoldern machen die Planer vielen Arten, die vom Lebensraumverlust an der Ems betroffen sind, ein Angebot, sich hier wieder anzusiedeln und zu vermehren.  Die Besonderheit dieser Biotope ist, dass sie von Ebbe und Flut beeinflusst werden, also zeitweise trockenfallen und dann wieder überflutet werden. Dort entwickeln sich Flachwasserzonen, Brack- und Süßwasserröhrichte, Sand- und Schlickwatten sowie Tideauwald.

Ein solches Biotop wird jetzt im Bereich des ehemaligen Emsbogens bei Coldemüntje in der Gemeinde Westoverledingen verwirklicht. Bei dem Gebiet, das hinter dem Emsdeich liegt, handelt es sich um die Überreste einer ehemaligen Emsschleife, die bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgeschnitten wurde. Der damals entstandene Grotegaster Altarm verlandete, wurde mit Baggergut aus der Fahrwasserunterhaltung aufgefüllt und zu einem späteren Zeitpunkt durch den Bau der neuen Hauptdeichlinie vollständig von der Ems getrennt. 

Der Landkreis Leer als zuständige Genehmigungsbehörde hatte den Bau des Tidepolders Coldemüntje genehmigt. Der entsprechende Planfeststellungsbeschluss trägt das Datum 13. August 2021. Von besonderem Interesse war während der gesamten Planungsphase der Verbleib des Aushubs aus der Polderbaustelle. Der Genehmigung entsprechend wird das Vorhaben wie folgt ablaufen:

Von den 272.000 Kubikmetern Aushub:

- bleiben rund 145.000 Kubikmeter im Plangebiet selbst. Daraus werden ein erhöht verlaufender Rundweg mit drei Aussichtspunkten entstehen. Der Polder wird hierüber für Naturliebhaber erschlossen. Es wird ein Parkplatz für Autos und Fahrräder eingerichtet.

- werden rund 80.000 Kubikmeter für die Erhöhung der Deichberme an der Ems zwischen Tidepolder und Völlen verwendet. Das ist eine Strecke von rund sechs Kilometern. Die Baumaßnahme läuft zeitgleich mit dem Bau des Polders.

- werden rund 47.000 Kubikmeter auf landwirtschaftlichen Flächen direkt am Polder aufgetragen, die anschließend wieder von den Landwirten als Grünland genutzt werden. Rund 19 Hektar Fläche werden so um durchschnittlich 25 Zentimeter aufgehöht. 

Mit diesem Konzept wird der Transport von Aushub auf den Straßen durch die Deichdörfer auf ein absolutes Mindestmaß reduziert. Das war die Hauptvoraussetzung, um die Zustimmung der Gemeinde Westoverledingen erhalten zu können.