Minister Lies nimmt erste Masterplan-Baustelle an der Ems in Betrieb

Gemeinsamer Start für Polderbau in Westoverledingen mit Landrat Groote und Bürgermeister Douwes

Westoverledingen. Erster Spatenstich im Tidepolder Coldemüntje: Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hat am Montag (30. Mai) gemeinsam mit dem Leeraner Landrat Matthias Groote und dem Bürgermeister von Westoverledingen, Theo Douwes, die Baustelle des Polders an der Ems offiziell in Betrieb genommen. Auf 36 Hektar Fläche entstehen dort Biotope, die über ein Einlassbauwerk im Emsdeich künftig von Ebbe und Flut beeinflusst werden. „Der Polder steht exemplarisch für das, was die Vertragspartner im Masterplan Ems 2050 als eines von mehreren Zielen vereinbart haben: Die Wiederherstellung von Lebensräumen, wie sie einst die Flussauen der Ems prägten“, sagte Lies bei der Eröffnung.   Der Polder Coldemüntje ist der erste seiner Art an der Ems, weitere, wie der Tidepolder Leer und der Polder Stapelmoor, sind in der Planung. Insgesamt sollen bis 2050 auf 500 Hektar solche tidenbeeinflussten Lebensräume entstehen. U.a. mit dieser Selbstverpflichtung wurde 2015 ein drohendes Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen Verletzung von Umweltrichtlinien an der Ems verhindert. Mit Tidepoldern machen die Planer vielen Arten, die vom Lebensraumverlust an der Ems betroffen sind, ein Angebot, sich hier wieder anzusiedeln und zu vermehren. Dennoch gab und gibt es Kritik an diesem Polder, weil er der Wasserqualität der Ems nicht helfe, sagte Lies. „Das aber ist nicht seine Aufgabe. Die Ems leidet nicht nur an der schlechten Wasserqualität, die wir durch die Flexible Tidesteuerung verbessern wollen, sondern auch am Lebensraumverlust. Dieser Polder schafft neue, heute zu seltene Lebensräume. Auch das braucht die Ems.“

Landrat Matthias Groote sagte: „Für den Landkreis Leer ist dieses Projekt eine große Herausforderung. Wir mussten uns in einem Spannungsfeld bewegen - zwischen den Interessen der Bürgerinnen und Bürger, unseren Verpflichtungen als Vertragspartner und der neutralen Rolle als Genehmigungsbehörde. Nach sechs Jahren haben wir im Sommer 2021 endlich den Planfeststellungsbeschluss erlassen können. Nun freuen wir uns umso mehr, dass das Projekt umgesetzt und der Ems wertvoller Lebensraum zurückgegeben werden kann. Aber auch in dieser Phase heißt es: Mutt erst maal worn, bevör dat moi word.“

Damit die Tide einschwingen kann, muss das  Areal tiefergelegt und mit einem Priel versehen werden. Diese Erdarbeiten starten jetzt. Eines der zu lösenden Probleme war zuvor der Verbleib des Aushubs: In vielen Gesprächen, die NLWKN und Ministerium vor Ort geführt haben, und durch detaillierte Alternativenprüfungen wurden Lösungen gefunden, die die Gemeinde zufriedenstellen, weil die Baustellenverkehre auf ein Minimum reduziert wurden: Die Hälfte des Aushubs, rund 170.000 Kubikmeter, werden den Polder erst gar nicht verlassen und für Verwallungen und weitere Geländegestaltungen genutzt. Vor dem Deich, den man direkt vom Polder aus sieht, wird die Berme auf sechs Kilometer Länge in Richtung Papenburg erhöht. Diese sinnvolle und lokale Maßnahme wird ein weiteres Viertel des Aushubs aufnehmen. Ein weiteres Viertel wird auf landwirtschaftliche Flächen direkt am Polder aufgetragen, damit die Landwirte sie besser bewirtschaften können.  Für diese Transporte werden nur wenige Meter öffentlicher Straßen genutzt.

Auf diesen Prozess ging auch Westoverledingens Bürgermeister Theo Douwes ein: „Einige Anwohner und Politiker äußerten zu dem Projekt kritische Stimmen, insbesondere zum ursprünglich geplanten Abtransport des Bodenaushubs und der Bodenverwertung. Die Gemeinde teilte diese Bedenken und setzte sich von Beginn an dafür ein, dass eine Lösung gefunden wird, mit der alle Beteiligten zufrieden sind. Heute haben wir eine akzeptable Lösung gefunden.“ Natürlich gebe es dennoch Belastungen, wie bei jeder Baustelle. Dadurch, dass der Tidepolderbau in den kommenden Monaten parallel zum Bau der Friesnebrücke erfolge, könne die Zeit der Einschränkungen aber auf 2022 und 2023 beschränkt werden.  Als Bürgermeister freue es ihn, dass der erste Tidepolder des Masterplans „hier bei uns in Coldemüntje“ als Pilotprojekt entsteht und die Biotope durch Aussichtsplattformen und einen Rundweg sichtbar werden. Douwes: „Ich erhoffe mir, dass der Tidepolder so in Zukunft zu einem interessanten Ausflugsziel sowohl für Einheimische als auch für Touristen wird.“

Damit der Polder nicht schnell wieder verschlickt, wird nur zu den Zeiten Wasser eingelassen, in denen der Schwebstoffgehalt am niedrigsten ist: Rund um das Hochwasser. Das dann schwebstoffarme Wasser fließt nicht direkt in den Polder, sondern zunächst in ein 14.500 Quadratmeter großes Sedimentationsbecken, in dem sich der restliche Schlick absetzt.

In diesem und im kommenden Jahr wird der Polder gestaltet, das Einlassbauwerk 2023 außerhalb der Sturmflutsaison in den Deich eingebaut. 2024 kann der Polder dann in Betrieb gehen.  Lies dazu: „Der Masterplan Ems 2050 will nicht nur die Konflikte zwischen Ökologie und Ökonomie an der Ems durch eine an Kompromissen zwischen den Vertragspartner aufgebaute Strategie lösen, sondern auch durch vertrauensvolle und lösungsorientierte Verhandlungen mit den Betroffenen. So wurden die Spannungen um den Polderbau gelöst. Das allein kann in einem dichtbesiedelten und von vielen Nutzungen geprägten Lebensraum wie jenem an der Ems zum Erfolg führen – und das wird alle Planungen im Masterplan Ems auch weiterhin bestimmen.“

Hintergrund:

Bevor die Unterems begradigt, vertieft, befestigt und eingedeicht wurde, waren die Ränder des von Ebbe und Flut bestimmten Flusses von Flachwasserzonen, Watten, Prielen aber auch Stillgewässern und Tümpeln geprägt und z. T. mit Röhrichten, Auwäldern, Auengebüschen und Staudenfluren bestanden. Vieles davon ist durch menschliche Eingriffe verschwunden. Tierarten, die von der Wiederherstellung profitieren, sind beispielsweise Rohrsänger, Schwirle, Blaukehlchen, Rohrweihe und weitere Arten als Brutvögel, Gänse und Enten als Gastvögel, sowie Dreistachliger Stichling Flunder und Aal, ggf. auch Finte bei weitere Verbesserung in der Ems.