"Masterplan Ems hat eine Vorbildfunktion"

Prof. Dr.-Ing. Hans-Heinrich Witte geht als GDWS-Präsident in Ruhestand - "Natur und Schifffahrt an der Ems gehören zusammen"

Herr Professor Dr. Witte, Sie gehen Ende Januar dieses Jahres als Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS) in den Ruhestand. In diesem Amt sind Sie für alle Bundeswasserstraßen in Deutschland zuständig. Die Ems ist nur eine davon, und längst nicht die bedeutendste. Würden Sie dem Masterplan Ems 2050 in einem persönlichen Rückblick dennoch einen besonderen Stellenwert zumessen?

Die Ems hat in meiner Arbeit immer einen besonderen Platz eingenommen, als Bundeswasserstraße und als sensibler und schützenswerter Natur- und Lebensraum. Der Masterplan Ems 2050 ist die richtige Antwort für einen verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgang mit der Ems. Gemeinsam haben wir uns darauf verständigt, ökologische und ökonomische Interessen in Einklang zu bringen, um diesen wertvollen Lebensraum zu erhalten. Der Masterplan Ems hat Beispielcharakter.

Auf der Homepage des Masterplans Ems 2050 ist die Aussage von Ihnen zu finden, „eine gute Lösung für die Tidesteuerung am Emssperrwerk zu finden, das ist für uns eine Herzensangelegenheit“. Das klingt für mich nach mehr als nur professionellem Interesse. Ist das so?

Ja, aufgewachsen in Ostfriesland bin ich u.a. durch Kindheitserlebnisse auch eng verbunden mit der Ems und der Region. Die Natur und die Schifffahrt an der Ems gehören für mich seit je her zusammen und zählen zu prägenden Erfahrungen. Diese haben mich auch beruflich beeinflusst und zu verschiedenen Arbeitsbereichen an den Küstengewässern und schließlich auch bundesweit an den Wasserstraßen geführt.         

Kritiker des Masterplans Ems sagen, dass es einer Quadratur des Kreises ähnele, die Ems ökologisch zu sanieren und gleichzeitig ihre Leistungsfähigkeit für die Schifffahrt und die regionale Wirtschaft zu sichern. Wie sehen Sie das?

Es ist keine Quadratur des Kreises. Vielfach ist es uns gelungen, Belange der Schifffahrt und ökologische Aspekte zu verbinden. Und wenn man auf die Ems schaut, wird Folgendes umso deutlicher: Mehr denn je ist notwendig unsere Flüsse als wertvolle Lebensräume zu schützen und ebenso wichtig ist es, die Kapazitäten des ökologischen Verkehrsträgers Wasserstraße wirtschaftlich zu nutzen. Wir sind auf einem guten Weg.  

Die Ems hat in ihrer Bedeutung als Schifffahrtsstraße gewonnen, weil von den niederländischen Seehäfen kommende Binnenschiffe den Fluss wegen des Niedrigwassers im Rhein im Sommer 2022 vermehrt genutzt haben, um mit den für die Versorgung des Landes wichtigen Gütern ins deutsche Kanalnetz zu gelangen. Hat das Auswirkungen auf das im Masterplan vereinbarte Ziel, die Ems in einen besseren ökologischen Zustand zu versetzen?

Durch die Niedrigwasserereignisse sehen wir uns in unserer Zielsetzung generell bestätigt. Durch die Steuerung des Emssperrwerkes zur Erreichung der Ziele des Masterplans sind auch Verbesserungen für die Binnenschifffahrt z.B. an der Schleuse Herbrum möglich.

Die Vorgängerbehörden der GDWS haben anfangs  im Verständnis der Öffentlichkeit vor allem den  Wasserbau für die Schifffahrt im Blick gehabt, seit längerem ist sie auch in ökologischer Verantwortung, u.a. in Verantwortung für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. War das aus Ihrer Sicht ein Kulturwandel für die einst vor allem ingenieurtechnisch geprägte Bundesbehörde – und hat der Masterplan Ems dabei eine Vorbildfunktion?

Insbesondere der Masterplan Ems trägt durch seine integrierende Wirkung ebenfalls dazu bei, verkehrliche, ökologische und klimabedingte Ziele miteinander zu verknüpfen und umzusetzen. Insofern hat er eine Vorbildfunktion. Ökologisches Handeln ist immer schon eine der tragenden Säulen unseres Selbstverständnisses. Dies gilt für all unsere Arbeiten an den Bundeswasserstraßen. Wir haben hier eine umfassende Expertise vorzuweisen. Das neue „Gesetz über den wasserwirtschaftlichen Ausbau an Bundeswasserstraßen zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele der Wasserrahmenrichtlinie“ ergänzt unser Aufgabenportfolio.

Sie sind auch als Honorarprofessor an der RWTH Aachen tätig. Spielt in der Lehre das Zusammenwirken von Ökonomie und Ökologie im Wasserbau eine größere Rolle als in früheren Zeiten?

In meiner Lehrtätigkeit an der RWTH Aachen stelle ich fest, dass die Studierenden stärker als früher aktiv diese Themen einbringen. Die klimabedingten Veränderungen schärfen dieses neue Bewusstsein. Im Wasserbau hat das Zusammenspiel von Ökologie und Ökonomie immer eine wichtige Rolle gespielt. Überall dort, wo wir Wasserstraßen anpassen, ausbauen und so in die Natur eingreifen, schaffen wir als Ausgleich wertvolle neue Lebensräume, immer im Dialog mit Umweltschutzbehörden und -verbänden.

Sie waren von 1999 bis 2005 Direktor und Professor der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe. Dort wurde u.a. an der Erforschung des Verhaltens von Flüssigschlick gearbeitet, der die Wasserqualität in der Ems so negativ beeinflusst.  Wie wichtig ist Grundlagenforschung für den Masterplan Ems?

Ohne Grundlagenforschung ist kein Fortschritt im Wasserbau zu erreichen. Sie ist grundlegend für unsere Planungen und Entscheidungen. Hohe Sedimentationsraten und Flüssigschlick sind die Herausforderungen an der Tideems. Neben einer geeigneten Steuerung des Emssperrwerks kommt der Bewirtschaftung von Feinsedimenten als Baustoff für den Deichbau und zur Anhebung und Verbesserung von Vorländern und Niederungen - vor dem Hintergrund des Klimawandels - eine immer größere Bedeutung bei.

In den Gremien des Masterplans Ems arbeiten Vertragspartner zusammen, die unterschiedliche Interessen haben, sich aber gemeinsam für einen lebendigen und schiffbaren Fluss einsetzen. Alle Beschlüsse verlangen Einstimmigkeit, was Kompromisse erfordert. Die EU hat das anfangs als „eine Blaupause für die Lösung ähnlicher Konflikte“ bezeichnet. Sehen Sie das auch so – und hat das schon Nachahmer gefunden?

Ja, das sehe ich durchaus so.Der Masterplan Ems ist das Ergebnis umfassender Beratungen und einer sachlich und fachlich orientierten Kompromissbereitschaft.Grundsätzlich ist und bleibt das Prinzip des gemeinsamen Handelns und die Beteiligung aller Akteure ein wichtiger Maßstab. Insofern ist der Masterplan Ems für mich nachahmenswert.

Letzte Frage: Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft der Ems?

Die Emsregion ist eine sehr besondere Landschaft und die Verbindung zur Nordsee ist einzigartig. Ich wünsche dem Fluss und der Region, dass dies auch in Zukunft den einzigartigen Charakter und damit auch die Identität der Region ausmacht.

Zur Person

Prof. Dr.-Ing. Hans-Heinrich Witte ist seit 2013 Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung in Bonn, Ende Januar dieses Jahres geht er in den Ruhestand. Er gehört dem Lenkungskreis an, dem höchsten Gremium des Masterplans Ems 2050.  Witte hat in Braunschweig ein Bauingenieursstudium absolviert und ist seit 1990 bei der Wasserstraßenverwaltung des Bundes tätig. So leitete er die Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe und die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord in Kiel. Er hat eine Honorarprofessur an der RWTH Aachen.

Die GDWS

Die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt gehört zum Ressort des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Zusammen mit den nachgeordneten Wasserstraßen- und Schifffahrtsämtern sowie den Wasserstraßen-Neubauämtern bildet die GDWS die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV). Die WSV verwaltet die Bundeswasserstraßen und hält diese für die nationale und internationale Schifffahrt vor. Dazu zählen rund 7.300 km Binnenwasserstraßen und 23.000 km² Seewasserstraßen einschließlich der Anlagen (Schleusen, Wehre, Brücken etc.).