Bodenerkundung im Ems-Altarm

Nächster Bodenproben-Versuch am geplanten Tidespeicherbecken Vellage: Wenn der Meyer-Neubau „Genting Dream“ auf der Ems in Richtung Nordsee überführt wird – voraussichtlich am Wochenende 16. bis 18. September –, nutzen die Fachleute des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gemeinsam mit zwei beauftragten Fachfirmen den Emsstau, um einen  Ponton mit darauf montiertem Bohrgerät in den Altarm der Ems bei Vellage einzuschwimmen.

Der Grund: Um die Zusammensetzung des dort vorliegenden Bodens zu erkunden, müssen Bohrungen erfolgen. Wegen des weichen und schlickigen Grunds an den Uferzonen des Altarms sind im Frühjahr und im Juli zwei Versuche gescheitert, die notwendigen Bodenproben von einem Amphibienfahrzeug aus zu nehmen. Die Amphibienfahrzeuge  fanden auf dem Untergrund keinen Halt und schafften es nicht, die vorgesehenen Bohrpunkte zu erreichen. Die Bohrungen sollen bis zu einer Tiefe von fünf Metern unter Geländeniveau reichen.

Erst wenn die Bodenproben genommen und analysiert wurden, kann über den Fortgang der Arbeiten am Tidespeicherbecken entschieden werden. Die Bohrungen sollen Aufschluss darüber geben, mit welchen Materialien man es zu tun bekommt, wenn der Altarm ausgebaggert werden sollte. Diese Erkenntnisse fließen in das beim NLWKN angesiedelte Genehmigungsverfahren für das Tidespeicherbecken ein.

Sollten die Bodenproben im Altarm (Variante B in der Grafik unten) trotz aller Bemühungen nicht genommen werden können, bedeutet das keinesfalls das „Aus“ für die Maßnahme in Vellage, sagt Kay Nitsche, Abteilungsleiter Naturschutz, Wasserwirtschaft und Bodenschutz im Niedersächsischen Umweltministerium. In einer Fläche westlich des Altarms sind bereits Bodenproben entnommen worden. Auch hier wäre die Errichtung eines Speicherbeckens  möglich (Variante A) – wie im Altarm in einer Größe von rund elf Hektar. Die Tide würde über den Altarm in diese Poldervariante einschwingen.

Der Tidespeicher im Altarm sei die Vorzugsvariante, sagt Kay Nitsche. An dieser Stelle müsste deutlich weniger Material bewegt werden.  Es bestehe die Hoffnung, dass der Grund des Altarms aus Emsschlick besteht, der einfacher unterzubringen wäre, als das „inhomogenere Material“, das bei der bereits beprobten Variante anfallen würde.

Die ursprünglich vorgesehene Variante eines 20 Hektar großen Tidepolders wurde wegen der riesigen Aushubmengen und teilweise belasteten Böden im Plangebiet verworfen. Die jetzt geplanten Poldergrößen würden dennoch belastbare Daten für die Validierung des Modells „Tidespeicherbecken“ liefern können, teilte die Forschungsstelle Küste des NLWKN mit.

Zum Hintergrund:
Der Bau von Tidespeichern ist eine der möglichen Maßnahmen zur Verbesserung der Wasserqualität, die die Vertragspartner des Masterplans Ems 2050 auf ihre Machbarkeit hin prüfen lassen. Um die Schlickbelastung der Ems zu mindern, werden drei Maßnahmen untersucht: Eine Sohlschwelle am Emssperrwerk, eine Tidesteuerung durch das Emssperrwerk – und Tidespeicher.  Die letztgenannte Idee soll in Vellage erprobt werden. Bei Flut soll in dem Polder ein Teil der einströmenden Tide zwischengespeichert werden, um bei ablaufendem Wasser den Ebbstrom zu unterstützen und damit Schlick aus dem Fluss herauszuspülen.  Die dieser Annahme zugrundeliegenden mathematischen Modelle sollen mit  Tidespeicherbecken in  Vellage unter realen Bedingungen überprüft werden. Die Testphase soll zwei Jahre dauern. Die Universität Kiel hatte ermittelt, dass Tidepolder zur Verbesserung der Wasserqualität beitragen können.

Der geplante Tidespeicher in Vellage unterscheidet sich  grundsätzlich von den Poldern, die laut Masterplan Ems 2050 künftig zur Verbesserung der ästuartypischen Lebensräume am Fluss angelegt werden sollen: Er ist ein „Pilotpolder“, was bedeutet, das mit ihm erprobt wird, ob und wie sich Tidepolder auf die gewünschte Verbesserung der Wasserqualität auswirken- und er ist nicht auf Dauer angelegt. Die Flächen am außendeichs gelegenen Altarm Vellage befinden sich alle in öffentlicher Hand.