Entlastung für Anlieger in Coldemüntje geplant

Neues Konzept des NLWKN für Bodenverbleib beim Bau des Tidepolders

Weniger Belastung für die Anlieger des geplanten Masterplan-Ems-Projekts Tidepolder Colde­müntje: Der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NWLKN) hat das Konzept für die Verbringung des beim Bau anfallenden Materials so geändert, dass es nicht zu den von Anwohnern und der Gemeinde Westoverledingen befürchteten tausenden LKW-Fahrten durch die Deichdörfer komme, berichtete Helmut Dieckschäfer, Dezernent für regionalen Naturschutz beim NWLKN, an diesem Montag (12. Juni) vor dem Ausschuss für Kreisentwicklung, Umwelt und Natur des Landkreises Leer. Das neue Konzept muss im Detail noch mit den Fachbehörden des Landkreises abgestimmt werden. Der Bau des Tidepolders sowie das Konzept für den Bodenverbleib müssen vom Landkreis Leer genehmigt werden. Die Anträge werden gestellt, sobald die Unterlagen vollstän­dig sind.

Das neue Konzept sieht vor, dass 130.000 von insgesamt 340.000 Kubikmetern anfallenden Materials im Tidepolder selbst verbleiben. Dabei handelt es sich um 60.000 Kubikmeter Sand und 70.000 Kubikmeter durchwurzelten Oberboden. Vorbehaltlich der Genehmigung des Landkreises Leer soll der Boden vor allem in den Randbereichen in niedrigen Wällen und Erhebungen verbleiben. 210.000 Kubikmeter werden in direkter Nähe verbracht; 135.000 Kubikmeter Klei sollen auf benachbarte landwirtschaftliche Flächen zur Bodenverbesserung aufgebracht werden – in einer Höhe von 20 bis 40 Zentimetern. Die Wirksamkeit der Bodenverbesserung wird durch die Landwirtschaftskammer gutachterlich begleitet. „Landwirte aus der Umgebung des Polders sind auf uns zugekommen“, berichtete Dieckschäfer. Die Flächen hätten die Möglichkeit eröffnet, den Boden ohne Durchquerung der Deichdörfer abzufahren. Gegenwärtig würden die Vorverträge verhandelt, die bei einer Geneh­migung durch den Landkreis zum Zuge kämen. 75.000 Kubikmeter deichbaufähiger Klei soll auf einer ebenfalls nahe gelegenen Fläche in einer drei Meter hohen Miete gelagert werden. Endgültig genutzt werden soll er von der Overledinger Deichacht, die damit die Deichberme erhöhen will.

Zunächst sollte das deichbaufähige Material gemäß Kreislaufwirtschaftsgesetz als Wirtschaftsgut zwischengelagert und dann zu Baustellen in der Region transportiert, der Sand entsprechend als Baumaterial verkauft werden. Gespräche mit der Gemeinde Westoverledingen über die Sorgen der Anlieger vor der Belastung durch die Schwertransporte und Schwierigkeiten, Abnehmer zu finden, haben zur Konzeptänderung geführt. Franz-Josef Sickelmann, Landesbeauftragter für regionale Lan­desentwicklung und Leiter der Geschäftsstelle Masterplan Ems 2050, und Dieckschäfer hatten bereits im März betont, dass die Bedenken der Anlieger von der Planbehörde sehr ernst genommen würden. Der von Anliegern und Gemeinde ins Spiel gebrachte Abtransport per Bahn oder Schiff lässt sich allerdings nicht realisieren. Die Bahn erfordere den Bau von zwei Verladestellen, einem Zwischen­lager und Transportkosten in Millionenhöhe, Genehmigungen für – auch temporäre – Anleger zum Schiffstransport waren wegen des an dieser Stelle sehr engen und kurvigen Emsfahrwassers nicht zu erhalten. Dieckschäfer ergänzte, dass Schlick, der sich im Sedimentationsbecken der Anlage absetze, durch das Einlassbauwerk im Deich zurück in die Ems gepumpt werden soll. Auch in dieser Hinsicht wären dann keine Belastungen der Anwohner zu erwarten.

Für Irritationen hat bei den Anliegern in der Diskussion über den Tidepolder die Frage nach dem Zweck des Bauwerks gesorgt. Kritisiert wurde, dass die Anlage nicht der Verbesserung der Gewässer­güte der Ems diene. Das war so aber nie geplant gewesen. Neben der Verbesserung der Wasserquali­tät hatte die EU-Kommission in ihrem Pilotverfahren, das Grundlage für den Masterplan war, auch den mangelhaften Zustand der Natura-2000-Gebiete an der Ems beklagt. Der Tidepolder in Colde­müntje soll vor diesem Hintergrund dazu beitragen, verloren gegangene tidebeeinflusste Lebens­räume am Fluss wiederherzustellen. Darauf haben sich die Vertragspartner des Masterplans Ems 2050 geeinigt.

Hintergrund:

Im Tidepolder Coldemüntje sollen Flachwasserzonen, Brack- und Süßwasserröhrichte, Sand- und Schlickwatten sowie Tideauwald entstehen. Bei dem Gebiet, das hinter dem Emsdeich liegt, handelt es sich um die Überreste einer ehemaligen Emsschleife, die bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahr­hunderts abgeschnitten wurde. Der damals entstandene Grotegaster Altarm verlandete, wurde mit Baggergut aus der Fahrwasserunterhaltung aufgefüllt und zu einem späteren Zeitpunkt durch den Bau der neuen Hauptdeichlinie vollständig von der Ems getrennt. Bereits heute finden sich hier geschützte Biotope und Kompensationsflächen, die durch den Polder aufgewertet werden sollen.

Für den Einlass der Tide in den Polder soll ein Bauwerk im Deich sorgen, über das die oberste Lamelle der Wassersäule um die Hochwasserzeit aus dem Wasserkörper in den Polder einströmen kann. So kann sichergestellt werden, dass nur das weniger stark mit Schwebstoffen belastete Oberflächen­wasser der Ems in den Polder gelangt. Die Deichlinie wird nach Bau des Ein- und Auslaufbauwerkes wieder voll funktionsfähig hergestellt. Zusätzlich soll ein Absetzbecken eine zu schnelle Verschlickung verhindern. Die Bauwerke werden so gestaltet, dass auch Fische hindurch wandern können.

Die Kosten für die Maßnahmenumsetzung werden insgesamt auf etwa sieben Millionen Euro geschätzt, die das Land Niedersachsen trägt. Die Inbetriebnahme ist für Ende 2020 vorgesehen.